Motivation
23% der Weltbevölkerung ist von chronischen Kniebeschwerden betroffen1. Zusätzlich sieht die Zukunft dieser Patienten auch nicht rosig aus. In der Literatur wird umfassend beschrieben, dass 60% der Patienten ihre Knieschmerzen über Jahre hinweg nicht beheben können, sondern sich diese sogar häufig verschlimmern 2. Deshalb müssen wir unbedingt verstärkt präventiv die chronischen Knieschmerzen vorbeugen und rehabilitative Maßnahmen verbessern. Im Rahmen meiner Arbeit als Doktorandin im Fachbereich „Biomechanik und Sportbiologie“ der Uni Stuttgart widme ich mich deshalb folgenden Fragen:
- Woher kommen chronische Knieschmerzen eigentlich?
- Was sind ausschlaggebende Risikofaktoren? Sind diese sportartspezifisch?
- Was können Menschen tun, um solche Verletzungen vorzubeugen bzw. sie wieder loszuwerden?
Während sich die Experten einig sind, dass die Schmerzen das Resultat einer Überlastung der Sehne ist, welche sich durch kleine Mikrotraumata entwickelt, gibt es keinen wissenschaftlichen Konsens bei der Beantwortung meiner eigentlichen Fragen 3. Erkenntnisse über den Zusammenhang von diagnostischen, klinischen und bewegungsanalytischen Ergebnissen fehlen gänzlich.
Glücklicherweise gibt es in der Wissenschaft neue Ansätze: So teilt der Forscher James Selfe 4 betroffene Probanden in Untergruppen ein, um die Entstehungsprozesse hinter chronischen Knieschmerzen besser aufklären zu können. Denn offensichtlich ist das Konzept „One fits all“ längst überholt. Weiterhin stammt diese Idee nicht nur von einem Wissenschaftler, sondern wird von den Experten als wesentlicher Milestone in der Forschung angesehen. In dem Expertengremium in 2013 wurde folgendes festgehalten:
… that identification of subgroups remains the holy grail for PFP research.
Patellofemoral pain consensus statement, 2013
Über meine Doktorarbeit
Angelehnt an die bisherigen Ergebnisse aus der Literaturrecherche habe ich mir Fragestellungen für meine Doktorarbeit überlegt. Im Gegensatz zu Selfe und Drew liegt mein Fokus aber nicht zwangsläufig auf Tests, die jeder in einer kleinen Praxis durchführen kann, sondern auf der Aufklärung der unterschiedlichen Pathologien. Denn die Aufklärung der unterschiedlichen Risikofaktoren, die Häufigkeiten der Zusammensetzung und die prinzipiellen Erkenntnisse zum Entstehungsprozess stehen für mich an erster Stelle. Egal ob mit low oder high-tech equipment. Erst in der zweiten Stufe wäre es für mich relevant, wie diese Erkenntnisse in der Praxis angewendet werden können und welches low-tech equipment ausreichen könnte. Weiterhin sehe ich den Volleyball im Fokus, da hier prozentual mit die meisten chronischen Knieverletzungen verzeichnet werden… und als Volleyballspielerin liegt mir das Thema Volleyball natürlich besonders am Herzen :)!
Was will ich aufklären?
- Kristalisieren sich in der Testbatterie wie in der Studie von Selfe4 und Drew6 3-4 klare Untergruppen heraus?
- Inwiefern spielt die neuromuskuläre Ansteuerung für chronische Knieschmerzen im Volleyball eine Rolle? Dies ist für mich ein zentrale Fragestellung, weil die Ergebnisse aus unserem letzten Projekt (Artikel in der BiSP-Bibliothek) zeigten, dass die betroffenen Spieler sowohl in der Halle als auch im Sand in verschiedenen Sprungformen eine muskuläre Dysbalance im Oberschenkel hatten. Diese wurde aber bisher in den Klassifikationsstudien gar nicht berücksichtigt. Weiterhin gibt es kaum Erkenntnisse, ob Unterschiede in der maximalen Kraft der einzelnen Muskelanteile des vorderen Oberschenkels bestehen. Diese Erkenntnisse sind aber wichtig, um die Zugverteilung bei willkürlicher Kontraktion einschätzen zu können 7. Nur dann können wir ein „maltracking“ der Kniescheibe nachvollziehen.
- Prädispositioniert eine bestimmte Kombination von Variablen besonders chronische Knieschmerzen?
Wie möchte ich das tun?
Alle Probanden durchlaufen eine klinische Testbatterie und eine Bewegungsanalyse der Angriffsbewegung mit Aufzeichnung der neuromuskulären Ansteuerung und der Kräfte. Die klinischen Tests ermitteln dabei folgende Parameter:
- maximale Hüftkraft
- maximale Quadrizepskraft
- Lage der unteren Sprunggelenkachse
- Bewegungsumfang des oberen Sprunggelenkes
- neuromuskuläre Ansteuerung des Oberschenkels
Aufbauend auf unserem vorherigen Projekt liegt dabei der Fokus auf der neuromuskulären Ansteuerung. Diese wird sowohl in einer isometrischen Kontraktion gemessen, als auch in einer Angriffsbewegung. Mit Hilfe von Stimulationen ermitteln wir die maximale Kraft der einzelnen Muskelanteile. Zusätzlich tracken wir die Bewegung der Kniescheibe und können schlussfolgern, ob sich diese pathologisch bewegt.
Was hast du von der Teilnahme?
Nach deiner Messung bekommst du:
- Deine Ergebnisse in den klinischen Tests. Durch Referenzwerte in anderen Untersuchungen können wir dir sagen, ob du über oder unter der Norm liegst und ob die entsprechende Variable ein Risikofaktor für dich sein könnte.
- Dein Ergebnis der Angriffsbewegung. Basierend auf anderen Forschungsergebnissen können wir dir, auch wenn noch nicht zu allen Variablen konkrete Referenzwerte vorliegen, zumindest eine persönliche Einschätzung risikohafter Bewegungsmerkmale und Auffälligkeiten in den Daten geben.
- Du erhälst Zugang zu einem Online-Portal und einer App mit Übungen, die speziell auf dich und deine Defizite abgestimmt sind. Die Übungszusammenstellung erfolgt durch mich und Steffen Schwarz, ein Sportphysiotherapeut aus Hohen Neuendorf, Inhaber von Reathletics.
Einen ganz kleinen Ausschnitt an möglichen Übungen und ein paar Eindrücke zu unseren Messungen habe ich im folgenden Video zusammen gestellt.
Wen suche ich?
Ich suche gesunde und verletzte Knie. Insbesondere freue ich mich über Volleyballer:Innen, egal ob aus Halle oder Sand. Die Messungen werden wahrscheinlich im Spätsommer oder Herbst starten. Deshalb habe bitte etwas Geduld. Vorher werden wir einige Pilotprojekte machen und freuen uns dann auch schon über Freiwillige. Die Ein- und Ausschlusskriterien für die jeweiligen Projekte haben wir noch nicht definiert. In Abhängigkeit von deinen akuten Verletzungen oder Einschränkungen könnte es also vorkommen, dass du für die ein oder andere Untersuchung nicht in Frage kommst. Nichtsdestotrotz beantworte den Bogen bitte ehrlich! Denn nur so können wir eine Forschung mit hohen Standards durchführen. In jedem Falle werden wir dich über den Mailverteiler über aktuelle Studien informieren und die jeweiligen Ein- und Ausschlusskriterien.
Ich freue mich von dir zu hören!
Anmeldung zur Studie
Fragen
Solltest du Fragen rund um die Anmeldung und der Forschungsstudie haben, zögere nicht dich an mich zu wenden:
Christina Frese
Wissenschaftliche Mitarbeiterin/ Knieverletzungen im (Beach-)Volleyball
Abteilung Biomechanik und Sportbiologie
christina.frese@inspo.uni-stuttgart.de
- Smith BE, Selfe J, Thacker D, Hendrick P, Bateman M, Moffatt F, et al. (2018) Incidence and prevalence of patellofemoral pain: A systematic review and meta-analysis. PLoS ONE 13(1): e0190892 ↩
- Kettunen J. A., Kvist M. et al. (2002), Long-Term Prognosis for Jumper’s Knee in Male Athletes: Prospective Follow-Up Study. The American Journal of Sports Medicine ↩
- Walden G, Liao X, Donell S, Raxworthy MJ, Riley GP, Saeed A. A Clinical, Biological, and Biomaterials Perspective into Tendon Injuries and Regeneration. Vol. 23, Tissue Engineering – Part B: Reviews. Mary Ann Liebert Inc.; 2017. p. 44–58 ↩
- Selfe J, Callaghan M, Witvrouw E, Richards J, Dey MP, Sutton C, et al. Targeted interventions for patellofemoral pain syndrome (TIPPS): Classification of clinical subgroups. BMJ Open. 2013 ↩
- Selfe J, Callaghan M, Witvrouw E, Richards J, Dey MP, Sutton C, et al. Targeted interventions for patellofemoral pain syndrome (TIPPS): Classification of clinical subgroups. BMJ Open. 2013 ↩
- Drew BT, Conaghan PG, Smith TO, Selfe J, Hensor EMA, Dube B, et al. Toward the development of data-driven diagnostic subgroups for people with patellofemoral pain using modifiable clinical, biomechanical, and imaging features. J Orthop Sports Phys Ther. 2019 ↩
- Makhsous M., Lin F., Koh J. L., Nuber G. W., & Zhang L. Q. (2004). In vivo and noninvasive load sharing among the vasti in patellar malalignment. Medicine and science in sports and exercise, 36(10), 1768–1775. , 2004 ↩