Ungefähr 80.000 mal pro Jahr in Deutschland kommt es zu einem Kreuzbandriss, wobei meist das vordere Kreuzband betroffen ist. Ist das Kreuzband einmal gerissen, kann dieses das Kniegelenk nicht mehr stabil führen. Nicht selten kommt es dadurch zu Unsicherheiten und Schlingerbewegungen im Knie.
Im Folgenden erklären wir dir, was ein Kreuzbandriss ist, wie es zu solch einem kommt und welche Therapiemöglichkeiten in Frage kommen. Darüber hinaus gehen wir auf von Kreuzbandriss-Patienten häufig gestellte Fragen ein.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist eigentlich ein Kreuzbandriss?
- Mechanismus: Wie kommt es zum Kreuzbandriss?
- Anzeichen für einen Kreuzbandriss
- Diagnose eines Kreuzbandriss ohne MRT
- Ausfallzeit nach einem Kreuzbandriss
- Behandlung eines Kreuzbandriss
- Physiotherapie bei einem Kreuzbandriss
- Operation bei Kreuzbandriss
- Aufbautraining nach Kreuzbandriss
- Langzeitschäden nach einem Kreuzbandriss
- Prävention und Kreuzbandriss
Was ist eigentlich ein Kreuzbandriss?
Das vordere Kreuzband befindet sich im Knie und ist mit dem hinteren Kreuzband ein maßgeblicher Stabilisator des Kniegelenks. Der Name rührt vom Verlauf dieser beiden Strukturen, denn sie „kreuzen“ sich. Das vordere Kreuzband verläuft vom hinteren Teil des Kondylus des Oberschenkelknochens zum vorderen Teil des Unterschenkelknochens. Ist das Kreuzband gerissen, redet man vom Kreuzbandriss oder auch von einer Kreuzbandruptur. Ist es allerdings nur angerissen, handelt es sich um einem Kreuzbandanriss.
Mechanismus: Wie kommt es zum Kreuzbandriss?
Für gewöhnlich gibt es drei Unfallmechanismen, die einen Kreuzbandriss provozieren. Ist dir zum Beispiel das Knie bei einer Landung oder einer Wende schmerzhaft nach innen weg kollabiert, kannst du mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes ausgehen. Zwei weitere typische Unfallmechanismen sind die Innenrotation des Unterschenkels mit „knartschende“ Geräuschen sowie ein extrem starker Vorschub des Unterschenkelknochens bei einem spontanen Abbremsmanöver. Denkbar ist hier ein Skiunfall, bei dem der Ski den Unterschenkel nach vorne drückt.
Viele Patienten glauben, dass so ein Unfall einfach Pech nur war.
Doch ist das wirklich so? Könnte man Kreuzbandrisse eventuell sogar verhindern? Viele Hinweise deuten darauf hin, dass die meisten Kreuzbandrisse kein Zufall sind und wir aktiv dagegen vorbeugen können. Dass es Sportarten mit einer erhöhten Unfallquote für Kreuzbandrisse gibt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass es sich nicht nur um Zufall handeln kann. So können beispielsweise Fußballer mit Hilfe eines angepassten Trainings aktiv Kreuzbandrissen vorbeugen.
Anzeichen für einen Kreuzbandriss
Die Anzeichen für eine Kreuzbandruptur können sehr unterschiedlich ausfallen. Neben starken Schmerzen kommt es nach einem Kreuzbandriss in den meisten Fällen zu einer starken Schwellung des Kniegelenks. Darüber hinaus können Betroffene meist nur noch humpeln. Manchmal ist bei einem Riss auch ein knackendes Geräusch oder gar lautes Knallen zu hören.
In manchen Fällen kann ein Kreuzbandriss auch unentdeckt bleiben. Wird dieser nicht behandelt, kommt es bei einigen Patienten zum sogenannten Giving way. Dabei bricht das Kniegelenk für eine Millisekunde nach hinten aus und zwingt den Betroffenen automatisch in eine Kniebeugung. Andere Patienten spüren wiederum fast gar nichts von ihrem Riss und leben jahrelang ohne ihr Kreuzband weiter.
Ein Kreuzbandriss ist also keine direkte Indikation zur OP, wenn man nicht operiert werden möchte. Im Endeffekt helfen zur Klärung nur medizinische Tests.
Diagnose eines Kreuzbandriss ohne MRT
Um einen Kreuzbandriss ohne bildgebende Verfahren – wie etwa durch ein MRT – zu diagnostizieren, haben sich folgende Standardtests in der Medizin etabliert:
- Vordere Schublade: Bei diesem Test wird dein Knie auf 90° gebeugt und der Unterschenkel anschließend nach vorne gezogen. Gibt es keinen Anschlag, ist das Kreuzband wahrscheinlich gerissen.
- Lachmann-Test: Du liegst auf dem Rücken während dein Knie auf 20° gebeugt ist. Nun wird der Unterschenkel gegen den Oberschenkel bewegt. Gibt es keinen festen Anschlag, ist das Kreuzband wahrscheinlich gerissen.
- Pivot-Shift: Du liegst mit dem Rücken auf einer Liege. Der Arzt beugt das Kniegelenk an und rotiert den Unterschenkel dabei nach innen. Kommt es zu einem Vorschub der Tibia und zu einem Zurückschnappen, dann ist ein Kreuzbandriss wahrscheinlich.
Ausfallzeit nach einem Kreuzbandriss
Nach dem Unfall kann die Ausfallzeit am Arbeitsplatz circa 4 Tage bis 2 Wochen dauern. Dies ist sehr individuell vom Schmerzzustand und der Schwellung abhängig.
Nach einer Kreuzbandriss OP betragen die Ausfallzeiten in der Regel 2-6 Wochen – je nach Operationstechnik und Empfehlung des Arztes. Dabei spielt es außerdem eine große Rolle, ob man einen Bürojob hat oder einer körperlichen Arbeit nachgeht, insbesondere mit vielen knienden Aktivitäten.
Die Ausfallzeit bis zur Wiederaufnahme des Sports ist sehr individuell zu betrachten und beträgt in der Regel mindestens 6 Monate. Ein individuell auf die Sportart vorbereitendes Training beginnt im Zuge der Reha allerdings schon vorher.
Behandlung eines Kreuzbandriss
Ein Kreuzbandriss kann sowohl konservativ als auch operativ behandelt werden. Allerdings wächst das Kreuzband nur durch unterstützende Maßnahmen eines operativen Eingriffs (sog. Healing response) wieder zusammen oder muss mit Hilfe einer Sehne rekonstruiert werden (Kreuzbandrekonstruktion). In der konservativen Rehabilitation beschränkt man sich dagegen rein auf die funktionelle Kräftigung und Therapie. In beiden Fällen dauert der Wiedereinstieg ungefähr 6-12 Monate.
Physiotherapie bei einem Kreuzbandriss
In der gängigen Praxis – ganz egal ob es sich dabei um einen Kreuzbandriss oder einer anderen Verletzung handelt – stellt der Arzt bei einem gesetzlich versichterten Patienten in der Regel 2-3 Rezepte aus. Manche Krankenkassen oder auch die Rentenkasse bezahlen zusätzlich eine ambulante Reha über drei Wochen. Ob man eine Reha gewährt bekommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Arzt
- Alter
- Krankenkasse
- Ausmaß weiterer Begleitverletzungen
Operation bei Kreuzbandriss
Kann ein Kreuzband zusammenwachsen?
Bei einem kleinen Anriss kann das Kreuzband vernarben und „heilt“ von alleine. Bei einem stärkeren Anriss oder Durchriss muss durch operative Maßnahmen der Einheilungsprozess des alten Kreuzbandes angeregt werden (Healing response) oder eine Sehne als Transplantat (Rekonstruktion) dienen. Ein Kreuzband kann also in der Regel nicht von alleine wieder zusammenwachsen.
OP ja oder nein?
Diese Frage kann jeder Mensch nur für sich selber beantworten. Es gibt dabei verschiedene Kriterien, die bei der Entscheidungsfindung helfen können:
- Welchen Sport betreibst du?
- Möchtest du deinen Sport weiterhin betreiben?
- Wie stabil fühlst du dich ohne dein VKB? (da gibt es große Unterschiede zwischen Betroffenen)
- Hast du genügend Zeit für eine Operation? Du solltest mit einer 6-monatigen Nachbehandlung rechnen, wenn du wieder eine Stop-and-Go-Sportart aufnehmen willst. Ansonsten dauert die Nachbehandlung ungefähr 2-3 Monate.
- Wie alt bist du? Macht es eher Sinn das VKB zu operieren wenn du ausgewachsen bist und die Wachstumsfugen geschlossen sind?
Anmerkung: Es gibt Techniken und Ärzte, die so gut sind, dass an den Wachstumsfugen in der Regel nichts passiert. Ein Restrisiko bleibt natürlich immer bestehen. Dein Arzt wird dich dazu beraten.
Wann sollte ich operieren lassen?
Bei einem Kreuzbandanriss oder einem Ausriss am Femurknochen (auch proximaler Abriss genannt) sollte man möglichst zeitnah in den ersten 6 Wochen nach dem Unfall operieren, damit das Kreuzband wieder gut an den Knochen anwachsen kann. Wenn es eine Kreuzbandrekonstruktion wird, d. h. der Ersatz des Kreuzbandes mit Hilfe einer körpereigenen Sehne, dann ist der Zeitpunkt frei wählbar.
Welche Möglichkeiten gibt es bei einer Kreuzbandoperation?
Prinzipiell unterscheidet man zwischen biologischen und herkömmlichen Verfahren zur Kreuzbandrekonstruktion.
Bei den biologischen Rekonstruktionsverfahren werden keine Fremdmaterialien verwendet. Beispiele für biologische Operationstechniken sind:
- All Press Fit: Dabei wird das Sehnen-transplantat mit Knochendübeln verankert
- Pressfit nach Hertel: Dabei wird ein kleines Knochenstück in den Femur gepresst, sodass Knochen auf Knochen einheilen können (nur bei Patellarsehnen-Transplantaten)
Herkömmliche Rekonstruktionsverfahren benötigen dagegen Fremdmaterialien. In der Regel werden dabei Schrauben oder Endo-Buttons zur Fixierung des Sehnen-Transplantats verwendet.
Zu welchem Arzt soll ich gehen?
Dies ist eine sehr schwierige Frage, denn selbst bei gut fundiertem Fachwissen, kann man nicht abschätzen, ob der Arzt auch handwerklich geschickt ist.
Empfehlungen und Erfahrungen von Teamkameraden, Freunden, Physiotherapeuten oder gar aus dem Internet sind hier sicherlich hilfreich. Die Häufigkeit durchgeführter VKB-Rekonstruktionen pro Jahr ist auch ein wichtiger Indikator für den Erfahrungsschatz des Operateurs. Grundsätzlich sollte man immer spezialisierte Kliniken wählen, um das Risiko von Fehloprationen zu minimieren.
Darüber hinaus spielt es auch eine Rolle, nach welchem Verfahren man sich behandeln lassen möchte, denn: kein Arzt beherrscht alle Operationstechniken und je nach Fall eignen sich bestimmte Operationstechniken besser.
Aus diesem Grund solltest du dir immer eine zweite Fachmeinung einholen, sofern du dir nicht sicher bist.
Aufbautraining nach Kreuzbandriss
Nach einem Kreuzbandriss folgt immer ein Aufbautraining – egal ob mit oder ohne Operation. Dieses Aufbautraining wird in der Regel in 5 Phasen unterteilt:
- Funktionelle Kräftigung
- Agilitytraining
- Sprungtraining
- Lauftraining
- sportartspezifische Vorbereitung
1. Die ersten Tage & funktionelle Kräftigung
Welche Übungen kann ich in den ersten Tagen nach dem Kreuzbandriss absolvieren?
In den ersten Tagen liegt der Fokus auf der Reduzierung der Schwellung, der Erhöhung des Bewegungsausmaßes und gegebenenfalls der Steigerung der Gewichtsbelastung. Es gibt eine Reihe von Übungen, die du bereits in den ersten Tagen absolvieren kannst. In dem verlinkten Artikel stehen auch noch ein paar Tipps und Tricks rund ums Kühlen und zur Schmerzmedikation.
Zu beachten gilt, ob bei dir eine Meniskusnaht gemacht wurde. Dann darfst du dein Bein in den ersten vier Wochen nämlich nur mit 10-15 kg belasten.
Wann kann ich zur Vollbelastung übergehen?
Das Transplantat selber hält extrem hohe Kräfte aus. Bis zu 400 kg Zug kann dein Ersatzkreuzband aushalten. Die Verankerung ist dagegen deutlich schwächer. Aber auch diese hält im Durchschnitt 500-900 Newton (je nach Typ) aus, welche in den alltäglichen Belastungen in der Regel nicht erreicht werden. Deshalb wurden in den letzten Jahren die Entlastungsphasen nach der OP auch immer mehr verkürzt. In erster Linie solltest du dich nach deinem Schmerzempfinden (ohne Schmerzmedikation!) und der Schwellung richten.
Aufpassen musst du dagegen bei kreuzbanderhaltenden Techniken. Da sollte eine längere Entlastung für das Zusammenheilen der Fasern an den Knochen erfolgen.
Muskelaufbau nach Kreuzbandriss-OP?
Bei Entlastung schrumpft das Beinvolumen innerhalb weniger Tage stark zusammen. Insbesondere der Quadrizeps leidet unter der VKB-Operation. Doch wie baue ich nun mein Bein wieder am besten auf? Welche Fehler können einem unterlaufen? Worauf ist zu achten? Reicht Gerätetraining, wie oft praktiziert, wirklich aus? Warum ist die alleinige Kraft ein unzureichender Faktor? Warum schützen 190kg in der Kniebeuge nicht immer vor einem Kreuzbandriss? Welche Rolle spielen Bewegungsmuster?
In deiner Reha wirst du die 5 hier geschilderten Phasen durchlaufen müssen, in denen du dich vielfältig auf den Wiedereinstieg vorbereiten wirst. Die oben verlinkten Artikel werden dir helfen, dich in der ersten Phase – der funktionellen Kräftigung – zurechtzufinden.
Welche Trainingstools sind hilfreich?
Nicht jeder Mensch hat Zeit in ein Fitnessstudio zu gehen. Manche trainieren lieber erstmal alleine zu Hause. Es gibt eine Reihe von Trainingstools – wie Wackelbretter, Wackelkissen, Pezzibälle, TRX-Bänder usw. – die das Heimtraining deutlich effizienter gestalten können.
Um eine Langhantel, ein Reck und eine Klimmzugstange kommt man als Sportler dennoch nicht ganz vorbei. Die Kombination von Trainingseinheiten im Studio und zu Hause ist dann empfehlenswert.
2. Agilitytraining & dynamische Übungen
Wiederaufbau der Sensomotorik des Knies
In deinem ursprünglichen Kreuzband befanden sich viele Rezeptoren, die dem Gehirn Informationen über dessen aktuellen Zustand vermittelt haben. Diese Informationen sind wichtig und dienen zur Anpassung von weiterführenden Bewegungen.
Durch den Kreuzbandriss sind diese Leitwege nun unterbrochen und müssen neu verknüpft werden. Bei einer Kreuzbandplastik müssen sich auch im umliegenden Gewebe zunächst einmal neue Sensoren ausbilden. Dies erzielt man durch sensomotorisches Training. Findet nach der Operation kein (oder unzureichendes) sensomotorisches Training statt, besteht ein deutlich erhöhtes Verletzungsrisiko und die Rerupturrate steigt. Der Wiederaufbau der Sensomotorik ist übrigens auch wichtig für das Zurückerlangen der Kraft.
Fast Feet & Koordinationsläufe
Dynamische Übungen wie Fast Feet, Koordinations- und Treppenläufe stärken deine Sensomotorik und Beweglichkeit. Das muskuläre Zusammenspiel bei schnellen Bewegungsmustern verbessert sich. Anfangs wird das operierte Bein deutlich langsamer sein als das gesunde. Diese Differenz wird sich über die folgenden Wochen hin aufheben.
Dynamische Kräftigungsübungen
Aufbauend auf die statischen Übungen aus der ersten Phase erfolgen nun dynamische Kräftigungsübungen. Sie dienen der Vorbereitung von komplexen Bewegungsmustern auf dem Feld. Ausfallschritte nach vorne und zur Seite sind zum Beispiel wichtige Übungen zur Vorbereitung auf Abstopp- und Wendemanövern.
3. Sprungtraining
Nach ungefähr 2-3 Monaten fängst du mit den ersten Sprüngen an. Beidbeinigen Sprünge sind für viele noch gut zu bewältigen. Die einbeinigen Sprünge dagegen können in den ersten Einheiten große mentale Hürden erzeugen. Eine Stepperhöhe reicht für die ersten Einheiten in aller Regel aus.
Eine ausgezeichnete Sprung- und Landetechnik ist dabei unerlässlich, um Kreuzbandrissen langfristig vorzubeugen.
4. Joggen nach Kreuzbandriss
Viele haben als erstes großes sportliches Ziel das Joggen vor Augen.
Verständlich! Denn immerhin ist Laufen die Grundform von vielen Sportarten. Viele Sportler fühlen sich beim Joggen zum ersten Mal mal wieder richtig in Bewegung. Beim Laufeinstieg nach dem Kreuzbandriss gibt es einige Dinge zu beachten:
- Als VKB-Patient solltest du u. a. vorher ein Sprungtraining souverän absolviert haben.
- Bei den ersten Laufrunden solltest du eine kurze Strecke wählen.
- Hör auf deinen Körper und übertreibe es nicht, damit es zu keinen Schwellungen und Schmerzen kommt.
Vergiss nicht: Nichts ist ärgerlicher als ein Rückfall im Rehaverlauf! Gehe die Sache deshalb langsam an.
5. Sportartspezifische Vorbereitung
Wie sieht es mit Sport nach dem Kreuzbandriss aus?
Nur 55% schaffen es nach einem Kreuzbandriss auf ihr altes sportliches Niveau zurück. Ein hoher Anteil der Betroffenen fängt irgendeine Form von Sport wie Laufen, Radfahren oder den ursprünglichen Sport auf einem niedrigerem Niveau wieder an.
Doch ist es das Ziel eines Sportlers unter seinem alten Niveau zu bleiben? Wohl eher nicht. Die Ursache hierfür liegt in den meisten Fällen bei einer mangelhaften Reha begründet. Kein Sprungtraining, kein Wendetraining und keine Sprintdrills. Wie soll ein Athlet ohne Angst in seine Sportart einsteigen, wenn die Grundfähigkeiten noch fehlen?
Sport ist, wenn die Operation gelungen ist, auch auf altem Niveau wieder absolut möglich. Dies erfordert aber ein gutes postoperatives Konzept sowie viel Geduld und Fleiß auf Seiten des Athleten.
Sollte ich nach einem Kreuzbandriss eine Bandage beim Sport tragen?
Bandagen stimulieren die Rezeptoren auf deiner Haut. Diese unterstützen das sensomotorische Feedback an dein Gehirn. Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass die Rezeptoren bis zu 2 Jahren brauchen, um sich wieder voll neu ausgebildet zu haben. Viele Sportler neigen nach einem Kreuzbandriss jedoch schon nach 6-12 Monaten dazu wieder in den Sport einzusteigen. In diesem Fall ist eine Bandage sinnvoll, da sie das sensomotorische Defizit etwas behebt.
Sie sollte aber nur als Unterstützung auf dem Feld getragen werden. Im Aufbautraining hat sie dagegen nichts zu suchen. Das Erlernen der eigenständigen Stabilität ist nach einem Kreuzbandriss essentiell, um weiteren Verletzungen vorzubeugen.
Langzeitschäden nach einem Kreuzbandriss
Es ist keine unberechtigte Frage, ob es nach Schäden am Kreuzband zu Langzeitfolgen kommen kann.
Die häufigsten Komplikationen nach einem Kreuzbandriss sind Verschleißerscheinungen am Meniskus und am Knorpel. Dabei spielt es nach aktuellem Wissensstand keine Rolle, ob eine Operation durchgeführt wurde oder nicht. Das Risiko für Arthrose in den nächsten 10-20 Jahren ist deutlich erhöht.
Leider gibt es nur wenig Studien, die einen Zusammenhang zwischen funktionellen Bewegungsmustern und Arthrosebildung untersucht haben. Die Optimierung von funktionellen Bewegungsabläufe kann jedoch die Symptome, die bei einer Arthrose vorherrschen, reduzieren. Zusätzlich kann es bei einigen Personen zum Ausleiern des vorderen Kreuzbandes (=elongiertes Kreuzband) kommen – insbesondere wenn die seitlichen Bänder beim Unfall mit betroffen waren.
Bei einer mangelhaften Operation oder Rehabilitation, kann es auch zu Einschränkungen im alltäglichen Leben kommen: So beeinträchtigen ein Instabilitätsgefühl, Giving way oder Fremdheitsgefühl gegenüber dem anderen Knie die Lebensqualität.
Prävention und Kreuzbandriss
Auch beim Kreuzbandriss gilt: Vorbeugung ist die beste Medizin.
So wurde in den letzten 15 Jahren viel Zeit und Geld in die Kreuzbandriss-Forschung gesteckt. Es wurden Risikofaktoren ermittelt und anschließend Trainingstechniken untersucht, um die Risikofaktoren zu vermindern.
Zum Beispiel vervielfacht eine X-Bein Stellung das Risiko eines Kreuzbandriss um das 17-fache. Eine verringerte Sensomotorik erhöht das Verletzungsrisiko um das Doppelte. Aus diesen Risikofaktoren wurden präventive Trainingsprogramme abgeleitet. Bekannte Programme sind das FIFA 11+, das Kieler-Handball-Programm und ab diesem Jahr auch das Stop X.
Auf unseren Seiten halten wir ein auf den Volleyball zugeschnittenes Präventionsprogramm für dich bereit. Falls du gerne mehr über Christinas Odysee mit ihren zwei Kreuzbandrissen lesen und von ihren Erfahrungen profitieren möchtest, solltest du einen Blick auf unsere Artikelserie „Schritt für Schritt zum stahlharten Knie“ werfen.
Wie hilfreich war der Artikel für dich?
Tobias
Hallo fitnesswarrior Team,
Vielen Dank für all eure Artikel!
„Die häufigsten Komplikationen nach einem Kreuzbandriss sind Verschleißerscheinungen am Meniskus und am Knorpel. Dabei spielt es nach aktuellem Wissensstand keine Rolle, ob eine Operation durchgeführt wurde oder nicht.“
Was ist dazu die Quelle?
Man liest und hört doch sehr häufig, dass es ohne bzw. mit ausgeleiertem Kreuzband zu „Micro-Bewegungen“ kommt, die das Knie zusätzlich belasten.
Die „Schwedische Studie“ die häufig als Gegenargument angeführt wird, wird häufig auf Grund ihrer fehlenden Langzeit Betrachtungen kritisiert. (Bzw. die „Langzeitbetrachtungen“ wären mit zwei Jahren viel zu kurz.)
Christina Frese
Hallo Tobias,
Danke deinem (auch sehr konstruktivem) Kommentar! Ich habe diverse Studien als Grundlage für diese Aussage genommen. Dieses Thema wird bald in einem längeren pdf, wo es rund um die Operation geht genauer behandelt. Dabei äußere ich mich dann auch noch mal differenzierter zu dem Thema. Ich habe auch nicht geschrieben, dass eine OA mit Operation genau so wahrscheinlich ist wie ohne… sondern nur…egal ob konservativ oder operativ… das Risiko ist deutlich erhöht.
Die Studienlage ist recht widersprüchlich. Eine Operation nur zur Meniskuserhaltung, wenn man z.B. totale Angst vor Operationen hat und man baut danach nur seiner Muskulatur bedürftig auf, dann ist man ohne OP vielleicht besser dran. Denn die Schäden (neuromuskulär, Sauerstoff gelangt in die Gelenkskapsel und stört die Biochemie etc.), die bei der Op auch entstehen, müssen über Wochen durch ein spezielles Training wieder behoben werden. Alleine die Bewegung des Kniegelenks am Anfang und der Muskelaufbau des Quadrizeps in die Exzentrik kommt häufig viel zu kurz. Das führt dann auch zu funktionellen Problemen und damit erhöhter Abnutzung der Menisken.
Ein weiterer Faktor ist das Transplantat selber oder die Operation. Mir kam von einem Vorsitzenden im Physiotherapeutenverband in Bayern zu Ohren, dass angeblich 80% (ich war richtig erschrocken, falls das stimmen sollte!) der Kreuzbänder nicht optimal eingesetzt sein. Zu kurz, zu lang, nicht der passgerechte Winkel… wie viel besser dann die Biomechanik mit dem VKB ist und den Meniskus schützt, ist dann fraglich. Wenn mich sich den amerikanischen Trend der „Keep it simple and stupid“ Mentalität anguckt und den Zeitdruck dazu nimmt, will ich es nicht ganz von der Hand weisen, dass die Versorgung nicht optimal sein könnte. Da kann man nur Augen und Ohren offen halten und beten, dass der Arzt vor einem sein Handwerk kennt und den Tag ausgeschlafen ist 😉 Immer mehr wird den Ärzten durch die amerikanischen Firmen vorgelebt und worum es den Firmen primär geht ist ja klar. Auch dazu äußere ich mich dann noch mal im Text zu konventionellen und biologischen Verfahren.
Bei den Scherbewegungen hast du absolut recht. Auch dazu äußere ich mich im pdf. Ich zitiere dir hier mal den Text und hänge dir zwei Studien an.
„Nichtsdestotrotz haben die Kreuzbänder eine wichtige stabilisatorische Funktion und ich würde auf lange Sicht jedem Sportler raten sich einer Operation unterziehen zu lassen, da die mechanische Führung des Kniegelenks bei Beuge- und Streckbewegungen primär über das hintere und vordere Kreuzband geleistet wird. Die Bedeutung der Kreuzbänder in Bezug zur Erhaltung der Menisken und Knorpel wird aus folgender Studie deutlich: 10 Jahre nach der Verletzung mussten bei (Knien ohne Kreuzbänder )15 von 19 Sportlern Teile des Meniskus entfernt werden, 13 von 19 Patienten hatten nach 20 Jahren eine chondrale Arthrose von Grad 4 und 10 bekamen ein neues Kniegelenk (Nebelung & Wuschech 2005). Da das vordere Kreuzband 80% des Widerstandes bei einem Flexionswinkel zwischen 30-90° gegen die vordere Schublade ausmacht, kommt es ohne dieses zu Scherbewegungen und Abnutzungserscheinungen der Menisken(Simon et al. 2015). Die Studienlage über die Verhinderung einer Osteoarthrose durch eine Operation im Gesamten ist kontrovers, weil unterschiedliche Analysemethoden verwendet werden und teilweise begleitende Faktoren nicht genug mit berücksichtigt werden. In einer Metaanalyse jedoch, die weitere Faktoren wie Begleitverletzungen, Sportarten, die postoperative Nachsorge und die Operationstechnik mit einbezieht, zeigt sich, dass das Risiko einer Osteoarthrose ohne OP noch höher ist als mit. Das Risiko einer OA ist bei doppelt reversierten Patienten dann besonders hoch. (Simon et al. 2015)(Ajuied et al. 2014)“
Simon, D. et al., 2015. The Relationship between Anterior Cruciate Ligament Injury and Osteoarthritis of the Knee. Advances in Orthopedics, 2015
Ajuied, A. et al., 2014. Anterior cruciate ligament injury and radiologic progression of knee osteoarthritis: a systematic review and meta-analysis. Am J Sports Med, 42(9), pp.2242–52. Available at: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24214929.
Ich hoffe, ich konnte nun etwas dein Anliegen klären? Sobald das pdf draußen ist, werden wir natürlich direkt auf diese verweisen. In der Übersichtsseite wollten wir es nur kurz halten :)!
Viel Spaß beim weiteren Lesen und danke für das Vertrauen!
Christina
Martin
Hallo,
vielen Dank für diesen informativen Artikel. Ich hatte bereits zwei Kreuzbandrisse. Beim ersten mal wollte ich nicht operieren gehen, da ich total Angst davor hatte und mein Arzt meinte, dass es nicht notwendig sei. Ich muss noch ergänzen, dass ich viel Sport treibe, und auch zwei Mal die Woche Fußball spiele. Nach einem Jahr Pause habe ich wieder angefangen meine Muskeln langsam aufzubauen. War auch bei der Physio, etc. Beim ersten Skiausflug hab ich mir dann das Kreuzband wieder gerissen. Hatte dann auch eine OP und einen anderen Arzt uuund einen anderen Physiotherapeuten. Hier finde ich muss man echt auf die Referenzen und die Qualität achten. Ich war dann damals in München bei GZM Physio, die ich echt allen empfehlen kann die aus München oder dem Umkreis kommen. Auch die meinten dann zu mir, dass ich bereits beim ersten Kreuzbandriss operieren hätte gehen sollen. Vor allem wenn man sportlich ist. Also ich versteh manche Ärzte echt nicht!
Gruß Martin
Tyler Padleton
Vielen Dank für diesen ausführlichen Beitrag über den Kreuzbandriss. Ich habe mir bei vor ein paar Monaten das Kreuzband im Fußballtraining gerissen und der Wiederaufbau nach dem Unfall ist zwar mühsam, aber es geht aufwärts. Interessant, dass durch den Kreuzbandriss Leitwege zum Gehirn unterbrochen sind und durch Training neu verknüpft werden müssen.
Christina Frese
Freut mich zu hören, dass dir die Artikel weiter helfen. Nur nicht aufgeben!